Peter

Da hat sich leider (fast) nichts getan: Verkehrssicherheit in Entwicklungsländern

2001 habe ich meine Magisterarbeit in Geographie zum Thema „Verkehrs(un)sicherheit in Entwicklngsländern“ geschrieben. Neben dem Fallbeispiel Botswana habe ich damals einige Datenauswertungen gemacht, die verdeutlichen sollten, warum das Thema in Entwicklungsländern eine höhere Brisanz hat.

Datengrundlage war die sogenannte „World Road Statistics“ der „International Road Federation“. Deren regelmäßige Statistik zu vielen Mobilitätskennziffern war (und ist) die einzige umfassende und – soweit möglich – valide Datenquelle um internationale Vergleiche anzustellen. 2001 musste man die aktuelle „World Road Statistic“ für relativ viel Geld in Papierform erwerben. Zum Glück stellte mir die GIZ (damals GTZ) ihr Exemplar für meine Magisterarbeit zur Verfügung und ich habe seitenweise Zahlen in Excel abgetippt.

Im Ergebnis standen z.b. vier Graphiken in meiner Magisterarbeit, die verdeutlichten, dass das Problem der Verkehrssicherheit in Entwicklngsländern relativ dramatischer ist, als in den entwickelten Ländern:

Seit 2001 habe ich mit dem Thema eigentlich nichts mehr zu tun: ich bin zwar Verkerhsplaner, aber fast ausschließlich in Deutschland tätig und (leider) nicht mehr international, geschweige denn im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit. Im Vergangene Jahr habe ich aber bei eine Internetrecherche zu Verkehrskennzahlen eher zufällig die gute, alte und in meiner Erinnerung teure, International Road Federation wiederentdeckt und festgestellt, dass diese die aktuellen Daten nun frei im Netz zur Verfügung stellt! Also habe ich meine nun über zwanzig Jahre alten Graphiken neu erstellt. Diesesmal interaktiv mit „Python/Plotly“:

Grob gesagt: in zwanzig Jahren hat sich – zumindest tendenziell – nichts verändert. In vielen „schwach entwickelten“ Ländern Afrikas und Asiens ist die Sterblichkeit auf den Straßen, gemessen an der Motorisierung und/oder der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, immer noch überproportional höher als in Europa und Nordamerika.

Um bei meinem Fallbeispiel Botswana zu bleiben: 2001 schrieb ich in meiner Magisterarbeit, dass die Verkehrssicherheit im afrikanischen Vergleich in Botswana weniger ungünstig liegt, als in z.B. in vielen zentralafrikanischen Ländern, aber „die pandemenische Ausbreitung von AIDS, bzw. HIV-Infektionen sich als weit größeres Problem darstellt: man geht heute von einer Infektionsrate von 35% der erwachsenen Gesamtbevölkerung aus. Dies ist weltweit der höchste Wert.“

Nun, heute gehört die HIV-Infektionsrate in Botswana mit ca. 22% immer noch zu den weltweit höchsten – aber eben auch mehr als zehn Prozentpunkte unter dem von 2001!

Und die Verkerhssicherheit? Im internationalen Vergleich hat Botswana sich in punkto Verkerhssicherheit nicht verbessert: es hat für afrikanische Verhältnisse immer noch die besten Werte, liegt im Vergleich mit Europa aber immer noch weit zurück. Aber immerhin hat sich bei einer 2,7-Fachen Steigerung der Motorisierung der Anteil der im Straßenverkehr Getöteten auf ca. ein Viertel des Wertes (gemessen am Fahrzeugbestand) reduziert. Oder anders ausgedrückt: trotz deutlich mehr Fahrzeugen ist die ANzahl der Verkehrstoten nicht sprunghaft angestiegen. Insofern haben die von mir vor zwanzig Jahren beobachteten Maßnahmen vor Ort schon Wirkung gezeigt.

Summertime – when the living is easy

Die EU hat vor kurzem ja eine große Befragung durchgeführt, ob die Bevölkerung weiterhin zweimal pro Jahr zwischen Sommer- und Winterzeit wechseln will. Das Ergebnis: gemessen an der Bevölkerung haben sich nur wenige Bürger beteiligt – in der Regel weniger als 1%. Eine Ausnahme ist nur Deutschland, Österreich und Luxemburg (1,8-3,8% der Bevölkerung), und mit Ausnahme von Malta, Zypern und Griechenland hatte immer eine Mehrheit der Befragten negative Erfahrungen mit dem Zeitwechsel gemacht. In Polen waren es 91%, in Spanien 87% und in Deutschland 77%. Folglich waren es in Polen und Spanien auch über 90% die wünschten, dass die Zeitumstellung abgeschafft wird.

In der Umfrage wurde dann auch gefragt, ob man lieber eine permanente Winterzeit, oder eine permanente Sommerzeit bevorzugen würde. Ein permanente Sommerzeit würde demnach eine Verschiebung der Mittagszeit um eine Stunde später bedeuten, also die „astronomische Realität“ verfälschen: der Tag hat 24 Stunden, also ist Mittag um 12 Uhr. In Polen war die Zustimmung hierfür recht hoch: 72%, während in Spanien und Deutschland zwar eine Mehrheit, aber dennoch ein deutlich geringerer Anteil von 55-58%, eine permanente Sommerzeit wünschte.

An dieser Stelle mal ein paar prinzipielle Überlegungen: die Erde wird üblicherweise in 360 Längengrade eingeteilt und der Tag hat 24 Stunden. Folglich müsste alle 15 Längengrade eine neue Zeitzone mit +/- 1 Stunde Unterschied zu den Nachbarzeitzonen beginnen. Es wäre natürlich unpraktisch, diese Zeitzonen so streng festzulegen, da Grenze der Zeitzonen dann in der Regel quer, oder besser längs durch alle etwas größeren Länder verlaufen würde. Daher orientieren sich die Zeitzonen an administrativen Grenzen: meistens Ländergrenzen, oder im Falle von sehr großen Flächenländern an untergeordneten Regionalgrenzen. Großbritannien, durch das der Nullmeridian verläuft liegt demnach in der geographischen Zone zwischen -7,5 und 7,5 östlicher/westlicher Länge und in der Zeitzone UTC (0). In dieser Zeitzone liegen ebenfalls Portugal und Irland. Der größte Teil des westeuropäischen Festlands liegt aber in der Zeitzone UTC+1:

Auf dieser Karte sieht man, dass z.B. Deutschland, Italien und Polen durchaus in ihrer astronomischen Zeitzone liegen: Berlin fast in der Mitte, Karlsruhe und Warschau aber ziemlich am Rand. Frankreich, die Benelux-Länder und Spanien haben zwar dieselbe Uhrzeit wie Deutschland, liegen aber überwiegend oder fast komplett in der astronomischen Zeitzone von London. Flächenhaft ausgewertet würde das so aussehen:

Der äußerste Westen Deutschlands liegt eine Stunde hinter seiner astronomischen Zeitzone, der überwiegende Landesteil aber in seiner korrekten Zeitzone. In Polen verhält es sich ähnlich, jedoch liegt hier der äußerste Osten vor seiner astronomischen Zeitzone. In Frankreich ist es umgekehrt: nur ein Zipfel des Elsass liegt korrekt, der größte Teil des Landes aber „temporal-astronomisch“ unkorrekt. In Spanien ist es teilweise noch extremer: im westlichen Galizien gilt dieselbe Uhrzeit wie in Warschau, es müsste aber eigentlich zwei Stunden früher sein. anders ausgedrückt: wenn z.B. in Frankfurt/Oder um 12 Uhr mittags die Sonne auch am höchsten steht, ist dies in Santiago de Compostella schon um 10 Uhr der Fall.

Im Falle, dass aufgrund der Befragung nun wirklich eine permanente Sommerzeit in der EU eingeführt wird, würde dies ja eigentlich nichts anderes bedeuten, als dass unsere bisherige Zeitzone nicht mehr UTC+1, sondern UTC+2 wäre. Gehen wir also mal davon aus, dass es 2019 entweder nur noch eine permanente oder Sommerzeit gibt. Sonnenauf- und untergang lässt sich für diese Fälle aus diesen Graphik ablesen:

Der Begriff Sommerzeit ist ja im deutschen recht neutral. Das englische „Daylight Saving Time“, sagt dabei viel eher aus, warum man die Zeitumstellung eingeführt hat: Tageslicht sparen und somit auch Energiekosten. Letztendlich spielen die persönlichen Lebensumstände und Gewohnheiten aber wohl die größte Rolle, welches Zeitsystem man bevorzugt. Manche Menschen möchten es abends besonders lange hell haben, andere möchten lieber morgens schon bei Helligkeit aufstehen.

Man könnte die Zeitsysteme aber auch mal nach einem ganz anderen Gesichtspunkt bewerten: der Verkehrssicherheit. Hierzu müssen aber zunächst ein paar Annahmen getroffen werden:

  • Berufstätige arbeiten in der Regel nicht zuhause, sondern müssen morgen und abends ihren Standort wechseln und nehmen am Verkehr teil.
  • Wenn viele Menschen gleichzeitig am Verkehr teilnehmen, steigt die Wahrscheinlichkeit von Unfällen.
  • Findet der Verkehr bei Dämmerung oder Dunkelheit statt, steigt die Wahrscheinlichkeit von Unfällen aufgrund eingeschränkter Sichtverhältnisse nochmals.
  • Egal welches Zeitsystem gilt – Arbeitsbeginn und Arbeitsende ist immer zur selben Uhrzeit. Vorher und nachher wird gependelt.
  • Bezogen z.B. auf Karlsruhe kann man davon ausgehen, dass die Mehrzahl der Berufstätigen zwischen 6 und 9 Uhr morgens und zwischen 16 und 19 Uhr abends am Berufsverkehrs teilnimmt und somit potentiell vor Sonnenaufgang oder nach Sonnenuntergang.
  • Schüler/innen nehmen bei potentieller Dunkelheit nur morgens am Verkehr teil. Bei Schulende zwischen 12 und 14 Uhr kann generell davon ausgegangen werden, dass der Rückweg von der Schule bei Helligkeit stattfindet. Morgens liegt die Pendelzeit aber überwiegend nur zwischen 7 und 8 Uhr.
  • Der Anteil von Schüler/innen, die mit dem Fahrrad oder zu Fuß unterwegs sind, liegt deutlich höher als der von Berufspendlern. Bei Dunkelheit sind diese Verkehrsteilnehmer aber einem höheren Unfallrisiko ausgesetzt als bei Helligkeit.

Man kann also folgern, dass aus Sicht der Verkehrssicherheit und unter Berücksichtigung eines gesamten Jahres, es sinnvoll ist, dass möglichst wenig Stunden der Pendlerzeiten bei Dunkelheit stattfinden zu lassen. Markiert man diese Zeiten in einer Graphik mit den Zeiten von Sonnenaufgang und -untergang, sieht dies für Karlsruhe folgendermaßen aus:

Insbesondere bei der Betrachtung des morgendlichen Schulwegs zeigt sich dann klar, dass eine permanente Sommerzeit unter den oben getroffenen Annahmen eine höheres Unfallrisiko über das Gesamtjahr beinhält, als das aktuelle Zeitsystem mit Wechsel zwischen Sommer- und Winterzeit, oder gar einer permanenten Winterzeit:

Man sieht aus diesen Graphiken gleich, dass bei permanenter Sommerzeit mehr Stunden des Schulwegs in Dämmerung oder Dunkelheit zurückgelegt werden müssen als bei einer permanenten Winterzeit. In Zahlen ausgedrückt und auch unter Berücksichtigung von Zeiten ohne Pendlerverkehr (Wochenenden, Feiertag, Schulferien) ergibt sich über das Jahr kumuliert folgendes:

Für den Berufspendler ergeben sich gemessen an der Gesamtzeit des Pendelwegs morgens und abends keine sehr

großen Unterschiede, das bei einer permanenten Sommerzeit die längere Zeit morgens in dunkelheit durch die längere Zeit abends bei Helligkeit fast ausgeglichen wird. Hätten wir aber eine Permanente Sommerzeit anstatt dem bisherigen System oder gar einer permanenten Winterzeit, müssten Schüler deutlich länger und öfter den Schulweg in Dämmerung oder Dunkelkeit zurücklegen. So gesehen spricht aus Gründen der Verkehrssicherheit einiges gegen das Vorhaben von Kommissionspräsident Juncker.

Hier noch ein paar Quellenangaben, die zur Auswertung verwendet wurden:

  • Bundesamt für Kartographie und Geodäsie 2017, Datenquellen: http://sg.geodatenzentrum.de/web_public /Datenquellen_TopPlus_Open.pdf
  • A shapefile of the TZ timezones of the world, Datenquellen: http://efele.net/maps/tz/world/
  • Zeiten für Sonnenaufgang und Sonnenuntergang zum Download, Datenquelle: https://sonnenaufgang- sonnenuntergang.de/

Ausflug in die Vergangenheit: Mount St. Helens

Vor ein paar Wochen habe ich auf einer alten Backup-CDROM durch Zufall ein paar Dateien gefunden, anhand derer ich meine ersten Schritte mit GIS und Höhenmodellen unternommen habe. Da das damalige Objekt auch heute noch recht interessant ist, habe ich es nochmals mit QGIS bearbeitet und mit den aktuellen Darstellungsmöglichkeiten visualisiert.

Bei den Dateien handelt es sich um zwei DGMs der United States Geological Survey (USGS) des Mount St. Helens – einmal vor dem Ausbruch am 18.05.1980 und einmal danach. Wie, was und warum damals geschah, ist in einem ziemlich guten Wikipedia-Artikel nachzulesen. Da ich Ereignis als Kind in den Nachrichten schon mitbekommen habe, fand ich es dann ungefähr 16 Jahre später, als ich Geografie studierte und anfing mit GIS zu arbeiten (obwohl das damals im Studium keine Rolle spielte – kaum ein Professor konnte damit umgehen), als ganz gutes Einsteiger- Forschungsobjekt.

Die USGS hatte 1998 schon eine recht passable Webseite. Am eindrucksvollsten war aber, dass dort Geodaten zum

freien Download angeboten wurden, während man sonst im Internet kaum Übersichtskarten, geschwiege denn Geo(roh-)daten bekam: Google Map und Google Earth erschienen erst 2004/2005 und waren zum Start noch recht grob (zumindest in Europa). 1996 konnte man dafür viele verschiedene Karten und schlecht aufgelöste Satellitenbilder auf CD/DVD für teures Geld kaufen. Damals bin ich noch mit einem 28k-Modem ins Internet. Dunkel erinnere ich mich noch, dass ich zum Download der Daten meinen Rechner über Nacht laufen lassen musste und einen der Einwahl- Telefonanschlüsse der Uni Freiburg entsprechend lang blockierte. Wahrscheinlich gab’s damals auch für Ortsgesprächen noch keine Flatrate, sodass der Spaß für mich auch nicht vollkommen kostenlos war. Wahrscheinlich habe ich auch deswegen gleich ein Backup angefertigt. Die Menge der Daten betrug insgesamt 50MB – dass dauert heute mit meinem 50Mbit-VDSL ein paar Sekunden…

Die Daten wurden damals in einem eigenen DGM-Format der USGS gespeichert, das auch heute noch verwendet wird. Leider fehlen die Metadaten, sodass nicht mehr nachzuvollziehen ist, wie sie entstanden sind. Gab’s damals schon entsprechende Radar-Satelliten oder wurde schon per Laserscan aus dem Flugzeug vermessen? Auf jeden Fall hatte die USGS den Mount St. Helens schon vor dem großen Ausbruch 1980 vermessen und hielt diese Daten auf ihrer Webseite bereit, wie auch das Höhenmodell nach dem Ausbruch, bei dem der Vulkan seine Kuppe verlor und damit 400m Höhe.

Die Ergebnisse mit GRASS und IDRISI habe ich nicht aufgehoben. Entsprechend der damaligen Download- Geschwindigkeit und Rechnerkapazitäten, hat wohl aber auch die Verarbeitung und Visualisierung der Daten entsprechend lange gedauert. Mit QGIS geht das heute sehr schnell und man hat auch einige Visualisierungsmöglichkeiten mehr. Auf der anderen Seite hat sich was die Rechenmöglichkeiten angeht seither nicht mehr sehr viel getan: alles was man heute mit einem DGM berechnen kann, konnten die verschiedenen Software- Pakete damals auch schon – nur sehr viel langsamer.

Als erstes hier mal ein Vergleich, wie sich der Mount St. Helens verändert hat. Er hat zwar insgesamt „nur“ 400 Höhenmeter verloren, die aber nur oberhalb des heutigen Kraterrandes. Wo früher der Gipfel des Vulkans war beträgt der Höhenverlust fast 1.200 Höhenmeter! Das „Danach“-Höhenmodell ist heute wohl nicht mehr aktuell, da sich im Krater in den letzten Jahrzehnten wieder eine neue Aufwölbung gebildet hat.

Eine tatsächliche Neuerung gegenüber den GIS-Programmen von 1996 ist die Möglichkeit, dreidimensionale Daten schnell und einfach zu visualisieren und sogar direkt im Webbrowser darzustellen. Hierfür verwendet ein Plugin für QGIS eine Javascript-Bibliothek für die dreidimensionale Darstellung: Three.js

Zwei Darstellungen mittels QGIS und Three.js werden beim Klick auf das jeweilige Bild geöffnet. Hält man die linke Maustaste gedrückt und bewegt die Maus, kann man die Ansicht drehen, neigen und verschieben. In ersten Darstellung sind die beiden Höhenmodelle nebeneinander abgebildet. Dabei wurde noch eine Schummerung, 100m-Höhenlinien und eine Einfärbung nach Höhe über NN, transparent darübergelegt. In der zweiten Abbildung sind beide Höhenmodelle übereinander gelegt, wobei das „vorher“-Modell transparent ist und der Betrag des Höhenverlustes in einer „Weiß-nach-Rot“-Skala eingefärbt ist. Damit man sich mal Maßstab der Umgestaltung des Vulkans 1980 machen kann, habe ich an eine der Bergflanken das neue, 417m hohe One World Trade Center maßstäblich daneben gesetzt.

Baden hat gewählt, Württemberg auch

Die Landtagswahl ist vorbei und es ist noch nicht klar, wie die neue Landesregierung aussieht, aber wie das Ergebnis getrennt nach den ehemaligen Ländern aussieht, konnte ich recht schnell anfertigen:

Der Unterschied zwischen den Landesteilen ist nicht sehr groß, auch wenn Baden wieder etwas linker gewählt hat als Württemberg. Auch gemessen an der prozentualen Stimmenanzahl hat die alte Landesregierung in beiden Teilen keine Mehrheit mehr. Allerdings kann man auch die die gewählten Abgeordneten auswerten. Hier ist aber anzumerken, dass ein Kandidat nicht in dem Wahlkreis kandidieren muss, in dem er wohnt. Außerdem kann dieselbe Person in mehreren Wahlkreisen gleichzeitig kandidieren. Prominente Beispiele sind Winfried Kretschmann, der in Sigmaringen wohnt, aber im Wahlkreis Nürtingen gewählt wurde. Auch der Spitzenkandidat der AfD Meuthen wohnt im badischen Karlsruhe und kandidierte im fast komplett badischen Wahlkreis Bretten, wurde aber im komplett württembergischen Wahlkreis Backnang in den Landtag gewählt, in dem er ebenfalls kandidierte. Die Auswertung sowohl nach Wohnort oder Wahlkreis sieht folgendermaßen aus:

Orientiert man sich nach den Wohnorten, die die Kandidaten auf dem Wahlzettel angegeben hatten, dann entspricht das Verhältnis Baden/Württemberg im neuen Landtag recht genau dem Anteil der Wohnbevölkerung im gesamten Bundesland. Allerdings gibt es kleine Unterschiede innerhalb der Fraktionen: in der CDU- und der FDP-Fraktion sind die Abgeordneten, die in Württemberg wohnen, deutlich überrepräsentiert.

Da die Wahlkreise sich ebenfalls nicht an den ehemaligen Landesgrenzen orientieren, kann man nicht genau sagen, wieviele Abgeordnete aus Baden kommen, aber man kann z.B. nach dem Bevölkerungsanteil der Wahlkreise eine Klassifizierung vornehmen. Hierbei kommts es dann zu einem interessanten Ergebnis: nimmt man nur die Wahlkreise, die nur einen kleineren Anteil als 10% aus Württemberg-Hohenzollern an der Bevölkerung haben, dann hätte Grün-Rot noch eine Mehrheit: 29 von 50 Sitzen. Auch wenn man die Wahlkreise mit einer badischen Bevölkerungsmehrheit zusammenfasst, würde es für Grün-Rot mit 31 von 58 Sitzen noch reichen.

Die Grenze von Baden

Karten von Baden findet man im Internet viele, leider aber nur in sehr großem Maßstab. Gleiches gilt für gedruckte Karten, die man mittlerweile auch wieder kaufen kann. Leider ist es mit diesen Karten aber nur begrenzt möglich den alten Grenzverlauf genau zu erkennen, also z.B. welcher Bach oder welche Straße früher die Landesgrenze darstellte.

Ist der Verlauf der ehemaligen Grenze irgendwie noch aus heutigen Grenzen abzuleiten? Diese Daten sind ja in den amtlichen Vermessungs- und Katasterdaten vorhanden. Spätestens seit 1973 ist dies eigentlich nicht mehr möglich, denn damals wurde mit der Gemeindereform in Baden-Württemberg alle möglichen Grenzen neu geordnet.

Kurz zur administrativen Gliederung: in Baden-Württemberg existierten vor der Gemeindereform vier Regierungsbezirke: Nordbaden, Südbaden, Nordwürttemberg und Südwürttemberg-Hohenzollern, wobei letzterer schon das nicht zu Württemberg gehörende Hohenzollern beinhaltete. Aber die Grenzen Badens waren 1973 noch deckungsgleich mit den Grenzen der alten Regierungsbezirke. Die Regierungsbezirke wiederum waren unterteilt in Stadt- und Landkreise, die wiede aus sehr viel mehr selbständigen Gemeinden bestanden als heute. Anhand einer Landkreiskarte oder auch einer Gemeindekarte waren die Grenzen Badens also noch erkennbar, ebenso wie auch die Grenzen von Hohenzollern. Im Zuge der Gemeindereform wurden viele Gemeinden zu neuen, größeren Gemeinden zusammengelegt, wobei hier nicht darauf geachtet wurde, ob eine alte Gemeinde zu Baden, Württemberg oder Hohenzollern gehörte. Ein prominentes Beispiel hierfür ist Villingen-Schwenningen. Ein anderes Beispiel ist die Gemeinde Ostrach, die sich aus mehreren Ortschaften zusammensetzt, die sowohl zu Württemberg, Baden und auch Hohenzollern gehörten.

Der Verlauf der aktuellen Gemeindegrenzen ist auf vielen Karten im Internet, wie z.B. auf Google Maps oder Openstreetmap genau zu erkennen. Beim Bundesamt für Kartographie und Geodäsie sind auch Geodaten der Gemeindegrenzen frei erhältlich. Aber selbst wenn man sich die Mühe macht und den Gemeinden Baden- Württembergs ihre Zugehörigkeit zu den alten Ländern zuzuordnen, wird man in 33 von 1103 Fällen (so viele eigenständige Gemeinden existieren heute in Baden-Württemberg) scheitern: diese Gemeinden vereinen seit 1973 Teile von Baden und Teile von Württemberg, bzw. Hohenzollern.

Soweit, so schade.

Allerdings existieren in den amtlichen Geodaten noch Merkmale, die eine hochauflösende Rekonstruktion der ehemaligen Landesgrenzen möglich erscheinen lassen: die Gemarkungsgrenzen.

Die meisten Gemeinden sind nochmals in sogenannte Gemarkungen unterteilt und in der Regel stellt eine Gemarkung auch die ehemaligen Gemeindegrenzen dar, wie sie bis 1973 existierte. Allerdings ist nicht auszuschließen, dass die heutigen Gemarkungsgrenzen nach 1973 verändert wurden, oder bereits vor 1973 ausgetauschte Gebiete nicht berücksichtigen. Lässt man diese seltenen Fälle außer Acht, dann wäre anhand der Gemarkungsgrenzen eine Zuordnung der alten Gemeinden zu den alten Landkreisen und im Weiteren zu den alten Ländern möglich.

Die Landesanstalt für Umwelt und Messung (LUBW) hält einen digitalen Geodatensatz (Shapefile) vor, in dem alle Gemarkungen Baden-Württembergs erfasst sind und in dem die ehemaligen Gemeindenamen als Gemarkungsname und die Namen der heutigen Gemeinde erfasst sind. Natürlich ist darin nicht die Zugehörigkeit zum ehemaligen Landkreis vor 1973 enthalten, aber Wikipedia führt auf den Seiten der heutigen Landkreise auch die alten Gemeinden der früheren Landkreise auf. Es musste also “nur” noch den einzelnen Gemarkungsflächen im LUBW-Datensatz der Name des alten Landkreise anhand von Wikipedia zugeordnet werden und man kann sich die ehemaligen Landesgrenzen auf jeder beliebigen aktuellen Karte wieder anzeigen lassen.

So eine Karte ist über diesen Link verfügbar

Rot sind die ehemaligen Grenzen von Baden und blau die Grenzen der heutigen Gemeinden, die seit 1973 sowohl Ortsteile/Gemarkungen aus mehreren alten Ländern beinhalten. Der Kartenhintergrund ist Openstreetmap. Beim hinein zoomen kann man sehr genau den Verlauf der ehemaligen Landesgrenze erkennen.

Wie gesagt, soll die Karte Baden in den letzten detailliert rekonstruierbaren Grenzen darstellen. Sollte irgendjemand irgendwo einen Fehler finden, kann dies gerne an mail -at- drhzbg.de gemeldet werden.

Ein paar kleine “Fehler” konnten in der Rekonstruktion der badischen Grenzen aus der aktuellen Gemarkungskarte identifiziert werden, d.h. sie sind in der Karte nicht berücksichtigt:

Bad Wimpfen war seit 1803 eine hessische Exklave an der Grenze von Baden und Württemberg. Spätestens seit 1960 gehörte es zum Südweststaat. Als eigenständige Gemeinde existiert es noch heute und ist somit anhand der

Gemakungsgrenzen identifizierbar. Allerdings hatte Bad Wimpfen wiederum zwei Exklaven in Baden, die 1952 aus dem Gemeindegebiet ausgegliedert wurden: Helmhof zu Neckarbischofsheim, Zimmerhöferfeld zu Bad Rappenau und Finkenhof zu Hochhausen. Diese Grenzen sind auch in den Gemarkungsgrenzen nicht mehr vorhanden.
Die Gemeinde Lehengericht (Baden) gehört seit der Gemeindereform zu Schiltach. Die Gemarkungsgrenzen Lehengericht umfassen aber auch den Ort Reichenbächle, der bis in die 1950er Jahre zu Württemberg gehörte. Thiergarten, Bestandteil der Gemarkung Hausen (Baden) und in den Gemarungsgrenzen nicht abgeteilt davon, gehörte ursprünglich zu Hohenzollern. Heute gehören alle Teile zur Gemeinde Beuron, das selbst ebenfalls zu Hohenzollern gehörte.

Ein Teil der heutigen Gemeinde Ostrach – Tafersweiler – gehörte zu Hohenzollern, beinhaltet aber eine in den Gemarkungsgrenzen nicht abgegrenzte württembergische Exklave: Wirnsweiler. In der der heutigen Gemeinde namensgebenden Gemarkung Ostrach (Hohenzollern) selbst, liegt die ebenfalls nicht mehr anhand der Gemarkungsgrenzen rekonstruierbare, badische Exklave Dichtenhausen.
Zwei Badische Exklaven in Württemberg sind anhand der Gemarkungsgrenzen ebenfalls nicht mehr zu erkennen: Adelsreute und Tepfenhard. Tepfenhard gehörte früher zu Adelsreute und ist heute Bestandteil der württembergischen Gemarkung Wolketsweiler, die wiederum seit der Gemeindereform ein Teil von Horgenzell ist. Adelsreute ist Bestandteil der württembergischen Gemarkung Taldorf, die heute zur Stadt Ravensburg gehört.

Ein solcher Geodatensatz eröffnet aber noch ganz andere Möglichkeiten, z.B.: wie viel Einwohner hat Baden heute eigentlich? Auf der Internetseite www.regionalstatistik.de sind z.B. alle möglichen Daten nach heutigen Gemeinden aufgeführt. Zunächst lassen sich natürlich dann alle Werte der Gemeinden, die heute zu 100% in Baden liegen, addieren. Nur was macht man mit den Gemeinden, die über die alten Landesgrenzen liegen? Die meisten dieser heutigen Gemeinden führen auf der jeweiligen Wikipedia-Seite oder ihrer Homepage die Anzahl der Einwohner auf, die in den jeweiligen Ortsteilen wohnen. Bei einigen Gemeinden ist dies jedoch nicht der Fall, sodass ein Kunstgriff angewandt werden musste: die EU hat im Projekt “Corine Landcover” zuletzt 2012 die gesamte Fläche der EU hinsichtlich der Landnutzung anhand von Satellitendaten klassifiziert und hierbei auch Siedlungsflächen ausgegeben. Nimmt man nun die Größe der Siedlungsfläche einer heutigen Gemeinde und den Anteil der Siedlungsfläche einer Gemarkung in dieser Gemeinde, bekommt man einen Faktor, der sich nach Stichproben sehr gut an den Bevölkerungsanteil annähert. Zur Ermittlung des Faktors, den der Anteil des alten Landes an einer heutigen Gemeinde innehat, kann also entweder der Anteil der dort wohnenden Bevölkerung herangezogen werden, oder aber der Anteil an der Siedlungsfläche. Mit diesem Faktor können dann alle möglichen statistischen Angaben bewertet werden, sofern sie sich auf Menschen beziehen und man davon ausgeht, dass eine heutigen ländliche Gemeine in sich relativ homogen ist, d.h. sich die innere Zusammensetzung des badische Teils nicht groß vom württembergischen Teil der Gemeinde unterscheidet.

Als erstes Ergebnis wäre demnach die Einwohnerzahl Badens (zum 31.12.2013) zu nennen: 4,503 Millionen Menschen (42,4% vom heutigen Baden-Württemberg) auf einer Fläche von 15.084 km2. Dies entspricht einer Bevölkerungsdichte von 298 Einwohnern/km2. Zum Vergleich: Baden-Württemberg ist als Ganzes mit 297 Einwohnern/km2 etwas dünner besiedelt und ganz Deutschland mit 227 Einwohnern/km2 deutlich dünner. Baden-Württemberg ist gemessen an der Bevölkerung nach Nordrhein-Westfahlen und Bayern das drittgrößte Bundesland. Wären Baden und Württemberg- Hohenzollern eigenständige Bundesländer, wäre Baden alleine betrachtet das sechstgrößte: Niedersachsen, Hessen und eben Württemberg haben noch mehr Einwohner, alle anderen Bundesländer aber weniger. Aus den Stimmen im Bundesrat könnten dann z.B. nicht mehr die sechs für den Südweststaat werden, sondern jeweils 4 für Baden und 4 für Württemberg-Hohenzollern. Wären Württemberg und Hohenzollern ebenfalls eigenständige Bundesländer, hätte Württemberg immer noch vier Stimmen aber das dann mit ca. 137.000 Einwohnern deutlich kleinste Bundesland Deutschlands – Hohenzollern – zusätzlich noch 3 Stimmen.

Wenn man schon von Sitzverteilungen in Parlamenten spricht, wäre es natürlich auch interessant zu wissen, wie z.B. die Parteien bei einer getrennten Auswertung der Stimmen nach den alten Ländern bei der letzten Landtagswahl abgeschnitten hätten. Auf www.regionalstatistik.de gibt es auch eine Liste der absoluten Stimmenanzahl nach Gemeinden der letzten Landtagswahl 2011. Das selbe Verfahren für die Gemeinden mit badischen und württembergischen Ortsteilen wie bei der Einwohnerermittlung auf die Stimmanteile der Parteien angewandt, kommt zu folgendem Ergebnis:

Baden ist deutlich grün-roter als Württemberg-Hohenzollern und somit auch als das Gesamtbundesland. Zudem wäre die FDP 2011 auch an der 5%-Hürde eines badischen Landtags gescheitert. Die Ministerpräsidentin Badens würde vielleicht Theresia Bauer heißen. In Württemberg-Hohenzollern gäbe es ein 4-Parteien-Parlament mit der FDP, bei dem zwischen schwarz-gelb und grün-rot nur 0,55 Prozentpunkte Unterschied zugunsten eines grünen Ministerpräsidenten stehen würden. Bei einem so knappen Unterschied hätte dann aber durch Überhangmandate durchaus die Waage zugunsten von schwarz-gelb ausschlagen können. Aber Stefan Mappus wäre wohl nicht Ministerpräsident von Württemberg, denn er stammt ja aus dem badischen Pforzheim.

Um noch alle Quellen richtig anzugeben:

Geobasisdaten:
Landesamt für Geoinformation und Landentwicklung Baden-Württemberg, www.lgl-bw.de, Az.: 2851.9-1/19 Daten aus dem Räumlichen Informations- und Planungssystem (RIPS) der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg; 26.01.2015

Sachdaten:
Angebot der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder, lizensiert unter der Datenlizenz Deutschland Namensnennung Version 2.0. Düsseldorf, 2015. | Stand: 10.09.2015 / 16:46:10

Wikipedia Kategorie:Ehemaliger Landkreis in Baden-Württemberg, ff und Liste der Land- und Stadtkreise in Baden- Württemberg, ff

Die Karlsruher Fächer-Strahlen

Um den Karlsruher Grundriss ranken sich ja so einige Theorien: was hat die Anzahl der Strahlen vom Schlossturm aus zu bedeuten oder wo führen den die Alleen in der Verlängerung hin.

Zunächst mal zur Anzahl: im Nahbereich des Schlossturms und der Innenstadt haben historisch 32 Straßen/Wege /Alleen existiert. 32 ist zwar die Spiegelzahl von 23 aber eben auch eine Zweierpotenz. Wenn man mal davon ausgeht, dass zunächst in jede Himmelsrichtung eine Allee geschaffen wurde und dann immer wieder zwischen zwei Alleen eine weitere (genau in der Mitte) gebaut wurde, dann kommt man irgendwann auf 32 Alleen oder Straßen und zwischen diesen sollte der Winkel am Schlossturm genau 11,25° betragen.

Anhand der amtlichen Vermessungsdaten kann man nach diesem Schema einfach alle diese Strahlen digitalisiert. Basis hierfür war der Strahl in die Stadt: von der Mitte des Schlossturms verläuft tatsächlich fast Zentimeter genau eine Linie über die Pyramidenspitze und den Obelisken auf dem Rondellplatz. Von dieser Linien gibt es dann alle 11,25° eine weitere Linie, die auf 100km verlängert wird. Das Ergebnis könnt Ihr hier sehen: Karlsruher Strahlen

Karlsruher Fächerstrahlen

Wenn man auf eine Linie klickt, ist der Name des Strahls in einem Popup zu lesen. Die Daten stammen aus der Stadtwiki Karlsruhe.

Darauf aufbauen ein paar Bemerkungen:

Die Strahlen sind nicht genau nach Süden ausgerichtet. Die Via Triumphalis ist um ca. 4,6° nach Westen verschoben.
Manche Strahlen sind nur noch auf kurzen Abschnitten vorhanden, manche noch auf sehr langen, aber zwei Strahlen existieren komplett nicht mehr: die Rintheimer Feld Allee und die (alte) Durlacher Allee. Beide sind die Nachbarstrahlen der ehemaligen Rintheimer Allee, die sozusagen den Ost-Strahl bildet.

Zwei Strahlen laufen zwar auf den Schlossturm zu, weichen aber vom 11,25- Winkel zu den Nachbarstrahlen ab: die Akademiestraße und die Eggensteiner Allee (in der Karte Blau eingefärbt).
Generell ist der 11,25°-Winkel bei mehreren Straßen und Wegen nur mit gutem Willen zu sehen, sodass mit zunehmender Entfernung die Abweichung immer deutlicher wird. Andererseits sind einge Stahlen auch sehr exakt, so z.B. der längste sichtbare Strahl, die Grabener Allee.

Wenn es um die Strahlen geht, die z.B. auf den ein oder anderen mystischen Ort zulaufen: der Michaelsberg bei Untergombach liegt nicht auf einer der Achsen, sondern zwischen der Blankenlocher und Büchiger Allee.
Die Waldstraße verläuft in ihrer Verlängerung allerdings in fast 100 km Entfernung schon sehr nahe am Odilienberg im Elsass vorbei, nämlich nur ca. 400m südlich. Dafür aber direkt über das Merowingergrab im Bereich der Heidenmauer!

Der keltische Heiligenbuck bei Hügelsheim, die Heidelburg bei Neureuth oder die Hügelgräber zwischen Wössingen und Stein liegen aber wieder alle abseits der Fächerstrahlen.