Summertime – when the living is easy

Die EU hat vor kurzem ja eine große Befragung durchgeführt, ob die Bevölkerung weiterhin zweimal pro Jahr zwischen Sommer- und Winterzeit wechseln will. Das Ergebnis: gemessen an der Bevölkerung haben sich nur wenige Bürger beteiligt – in der Regel weniger als 1%. Eine Ausnahme ist nur Deutschland, Österreich und Luxemburg (1,8-3,8% der Bevölkerung), und mit Ausnahme von Malta, Zypern und Griechenland hatte immer eine Mehrheit der Befragten negative Erfahrungen mit dem Zeitwechsel gemacht. In Polen waren es 91%, in Spanien 87% und in Deutschland 77%. Folglich waren es in Polen und Spanien auch über 90% die wünschten, dass die Zeitumstellung abgeschafft wird.

In der Umfrage wurde dann auch gefragt, ob man lieber eine permanente Winterzeit, oder eine permanente Sommerzeit bevorzugen würde. Ein permanente Sommerzeit würde demnach eine Verschiebung der Mittagszeit um eine Stunde später bedeuten, also die „astronomische Realität“ verfälschen: der Tag hat 24 Stunden, also ist Mittag um 12 Uhr. In Polen war die Zustimmung hierfür recht hoch: 72%, während in Spanien und Deutschland zwar eine Mehrheit, aber dennoch ein deutlich geringerer Anteil von 55-58%, eine permanente Sommerzeit wünschte.

An dieser Stelle mal ein paar prinzipielle Überlegungen: die Erde wird üblicherweise in 360 Längengrade eingeteilt und der Tag hat 24 Stunden. Folglich müsste alle 15 Längengrade eine neue Zeitzone mit +/- 1 Stunde Unterschied zu den Nachbarzeitzonen beginnen. Es wäre natürlich unpraktisch, diese Zeitzonen so streng festzulegen, da Grenze der Zeitzonen dann in der Regel quer, oder besser längs durch alle etwas größeren Länder verlaufen würde. Daher orientieren sich die Zeitzonen an administrativen Grenzen: meistens Ländergrenzen, oder im Falle von sehr großen Flächenländern an untergeordneten Regionalgrenzen. Großbritannien, durch das der Nullmeridian verläuft liegt demnach in der geographischen Zone zwischen -7,5 und 7,5 östlicher/westlicher Länge und in der Zeitzone UTC (0). In dieser Zeitzone liegen ebenfalls Portugal und Irland. Der größte Teil des westeuropäischen Festlands liegt aber in der Zeitzone UTC+1:

Auf dieser Karte sieht man, dass z.B. Deutschland, Italien und Polen durchaus in ihrer astronomischen Zeitzone liegen: Berlin fast in der Mitte, Karlsruhe und Warschau aber ziemlich am Rand. Frankreich, die Benelux-Länder und Spanien haben zwar dieselbe Uhrzeit wie Deutschland, liegen aber überwiegend oder fast komplett in der astronomischen Zeitzone von London. Flächenhaft ausgewertet würde das so aussehen:

Der äußerste Westen Deutschlands liegt eine Stunde hinter seiner astronomischen Zeitzone, der überwiegende Landesteil aber in seiner korrekten Zeitzone. In Polen verhält es sich ähnlich, jedoch liegt hier der äußerste Osten vor seiner astronomischen Zeitzone. In Frankreich ist es umgekehrt: nur ein Zipfel des Elsass liegt korrekt, der größte Teil des Landes aber „temporal-astronomisch“ unkorrekt. In Spanien ist es teilweise noch extremer: im westlichen Galizien gilt dieselbe Uhrzeit wie in Warschau, es müsste aber eigentlich zwei Stunden früher sein. anders ausgedrückt: wenn z.B. in Frankfurt/Oder um 12 Uhr mittags die Sonne auch am höchsten steht, ist dies in Santiago de Compostella schon um 10 Uhr der Fall.

Im Falle, dass aufgrund der Befragung nun wirklich eine permanente Sommerzeit in der EU eingeführt wird, würde dies ja eigentlich nichts anderes bedeuten, als dass unsere bisherige Zeitzone nicht mehr UTC+1, sondern UTC+2 wäre. Gehen wir also mal davon aus, dass es 2019 entweder nur noch eine permanente oder Sommerzeit gibt. Sonnenauf- und untergang lässt sich für diese Fälle aus diesen Graphik ablesen:

Der Begriff Sommerzeit ist ja im deutschen recht neutral. Das englische „Daylight Saving Time“, sagt dabei viel eher aus, warum man die Zeitumstellung eingeführt hat: Tageslicht sparen und somit auch Energiekosten. Letztendlich spielen die persönlichen Lebensumstände und Gewohnheiten aber wohl die größte Rolle, welches Zeitsystem man bevorzugt. Manche Menschen möchten es abends besonders lange hell haben, andere möchten lieber morgens schon bei Helligkeit aufstehen.

Man könnte die Zeitsysteme aber auch mal nach einem ganz anderen Gesichtspunkt bewerten: der Verkehrssicherheit. Hierzu müssen aber zunächst ein paar Annahmen getroffen werden:

  • Berufstätige arbeiten in der Regel nicht zuhause, sondern müssen morgen und abends ihren Standort wechseln und nehmen am Verkehr teil.
  • Wenn viele Menschen gleichzeitig am Verkehr teilnehmen, steigt die Wahrscheinlichkeit von Unfällen.
  • Findet der Verkehr bei Dämmerung oder Dunkelheit statt, steigt die Wahrscheinlichkeit von Unfällen aufgrund eingeschränkter Sichtverhältnisse nochmals.
  • Egal welches Zeitsystem gilt – Arbeitsbeginn und Arbeitsende ist immer zur selben Uhrzeit. Vorher und nachher wird gependelt.
  • Bezogen z.B. auf Karlsruhe kann man davon ausgehen, dass die Mehrzahl der Berufstätigen zwischen 6 und 9 Uhr morgens und zwischen 16 und 19 Uhr abends am Berufsverkehrs teilnimmt und somit potentiell vor Sonnenaufgang oder nach Sonnenuntergang.
  • Schüler/innen nehmen bei potentieller Dunkelheit nur morgens am Verkehr teil. Bei Schulende zwischen 12 und 14 Uhr kann generell davon ausgegangen werden, dass der Rückweg von der Schule bei Helligkeit stattfindet. Morgens liegt die Pendelzeit aber überwiegend nur zwischen 7 und 8 Uhr.
  • Der Anteil von Schüler/innen, die mit dem Fahrrad oder zu Fuß unterwegs sind, liegt deutlich höher als der von Berufspendlern. Bei Dunkelheit sind diese Verkehrsteilnehmer aber einem höheren Unfallrisiko ausgesetzt als bei Helligkeit.

Man kann also folgern, dass aus Sicht der Verkehrssicherheit und unter Berücksichtigung eines gesamten Jahres, es sinnvoll ist, dass möglichst wenig Stunden der Pendlerzeiten bei Dunkelheit stattfinden zu lassen. Markiert man diese Zeiten in einer Graphik mit den Zeiten von Sonnenaufgang und -untergang, sieht dies für Karlsruhe folgendermaßen aus:

Insbesondere bei der Betrachtung des morgendlichen Schulwegs zeigt sich dann klar, dass eine permanente Sommerzeit unter den oben getroffenen Annahmen eine höheres Unfallrisiko über das Gesamtjahr beinhält, als das aktuelle Zeitsystem mit Wechsel zwischen Sommer- und Winterzeit, oder gar einer permanenten Winterzeit:

Man sieht aus diesen Graphiken gleich, dass bei permanenter Sommerzeit mehr Stunden des Schulwegs in Dämmerung oder Dunkelheit zurückgelegt werden müssen als bei einer permanenten Winterzeit. In Zahlen ausgedrückt und auch unter Berücksichtigung von Zeiten ohne Pendlerverkehr (Wochenenden, Feiertag, Schulferien) ergibt sich über das Jahr kumuliert folgendes:

Für den Berufspendler ergeben sich gemessen an der Gesamtzeit des Pendelwegs morgens und abends keine sehr

großen Unterschiede, das bei einer permanenten Sommerzeit die längere Zeit morgens in dunkelheit durch die längere Zeit abends bei Helligkeit fast ausgeglichen wird. Hätten wir aber eine Permanente Sommerzeit anstatt dem bisherigen System oder gar einer permanenten Winterzeit, müssten Schüler deutlich länger und öfter den Schulweg in Dämmerung oder Dunkelkeit zurücklegen. So gesehen spricht aus Gründen der Verkehrssicherheit einiges gegen das Vorhaben von Kommissionspräsident Juncker.

Hier noch ein paar Quellenangaben, die zur Auswertung verwendet wurden:

  • Bundesamt für Kartographie und Geodäsie 2017, Datenquellen: http://sg.geodatenzentrum.de/web_public /Datenquellen_TopPlus_Open.pdf
  • A shapefile of the TZ timezones of the world, Datenquellen: http://efele.net/maps/tz/world/
  • Zeiten für Sonnenaufgang und Sonnenuntergang zum Download, Datenquelle: https://sonnenaufgang- sonnenuntergang.de/